25.08.2024 - Geschichte einer sehr schmerzhaften Erfahrung
Es begann alles so, wie es eigentlich immer beginnt, seit wir hier in Paraguay sind. Jemand stolpert über uns im Internet und nimmt Kontakt mit uns auf. Junges Paar, sie schwanger, aber beide mit Pioniergeist klang zwar nicht gerade einfach, aber eigentlich auch nicht schlecht. Nach einigem Hin und Her brach der Kontakt aber ab und wir liefen ihnen auch nicht hinterher, denn das hatten wir schon zu oft getan. Es waren ja Erwachsene und sie sollten wissen, was sie wollen. Zu dieser Zeit war ich gerade dabei, nach überstandenem Guillaine-Barré-Syndrom meine ersten Gehversuche zu absolvieren und an körperliche Arbeit war noch gar nicht zu denken.
Nach über einem Jahr Funkstille, meldeten sie sich plötzlich wieder. Der Sohn war geboren und schon gut ein Jahr alt. Nun wollten sie endlich zu uns kommen. Meine Genesung schritt zwar weiter voran, aber langsam. Immerhin konnte ich wieder selbstständig gehen und auch viele Arbeiten verrichten, aber Füße, Ausdauer und Gleichgewicht bereiten mir selbst heute noch Probleme. Es wurde wieder viel geschrieben und alles hörte sich gut an. Bei dem Tipi mit 9m Durchmesser und dem Klavier darin hätten wir jedoch vielleicht hellhörig werden sollen.
Wie gesagt, gab es viel Kommunikation, das Klavier war vom Tisch und irgendwann auch das Tipi. Jetzt waren es Hund und Katze. Ok, auch recht schnell vom Tisch mangels Infrastruktur und aus Tierliebe. Wir freuten uns, bald kräftige Unterstützung zu bekommen und das war es uns wert, ihnen einen Platz zu überlassen, an dem sie sich ein Häuschen bauen können. In der weiteren Kommunikation gab es viele Hinweise, die wir allerdings erst viel später, als sich das Bild endgültig präsentierte, erkannten. Wer nun meint, wir seien naiv und so etwas wäre ihm niemals passiert, ist entweder ein eiskalter Geschäftsmann oder er belügt sich selbst. Wir würden heute einige Zeichen besser deuten und sicher mit einem entschlosseneren NEIN antworten, aber den Glauben an das Gute im Menschen werden wir niemals verlieren.
Was nun folgte, war wahrscheinlich für uns als Aufweckprogramm gedacht, aber wir haben es nicht kapiert. Plötzlich hatten sie ein Flugticket, die Wohnungen waren gekündigt und wir freuten uns, ein Paket mit ihren Habseligkeiten mitschicken zu können - DIESES Paket!
Nun hatten wir einen moralischen Druck und egal, was passierte, fühlten wir uns verantwortlich und glaubten nun nicht mehr zurück zu können - hätten wir damals nur einfach die Notbremse gezogen.
Plötzlich hatte der Hund auch eine Transportbox und ein Ticket. Wir waren sogar so blöd und sind von Pontius zu Pilatus gelaufen, um den Transport von Asunción zu uns zu organisieren. Die meisten Möglichkeiten waren viel zu teuer, aber Dank Transportbox hätte ihn der Bus sogar kostenlos mitgenommen. Wir appelierten nochmal massiv an die Tierliebe, denn das Tier wäre rund 25 Stunden im Käfig, davon locker 15 in der Luft, dann einen Tag an der Leine in einer fremden Stadt und nochmal 8 Stunden in der Box unten im Bus - das war für unsere Begriffe Tierquälerei. Hurra, sie lenkten ein und wir haben auch nie etwas von Stornogebühren gehört, es war wohl eine Finte. Nun sollte ja noch die Katze mit, auch da viel Reden, aber nun reichte es uns. Einen Raum, um sie im Haus zu halten hatten wir einfach nicht und freilassen wäre wohl bös in die Hose gegangen, OK - auch erledigt.
Es war die Zeit der ersten Telefonate und wir waren ehrlich gesagt ein wenig verwirrt. Der Mann kam uns vor wie Joe Biden, mußte er bei jeder Antwort auf den Teleprompter warten? Nun, ab und zu hörten wir eine Frauenstimme im Hintergrund, aber wenn sie alles vorsagen mußte, warum dann nicht selbst sprechen? - Na ja, in den USA geht das ja auch, sogar beim sog. Präsidenten. Den Vogel haben sie dann drei Tage vor Abflug abgeschossen. Wir sollten irgendwelche Grimassen ziehen bzw. bestimmte Handzeichen geben, um zu beweisen, daß es uns wirklich gibt. Wir dachten ehrlich, sie hätten Panik bekommen und haben auch dies noch mitgemacht. Ob sie sich bei dem Lachkrampf eingepillert haben und damit ihr Sofa ruiniert, wissen wir natürlich nicht - also Bemerkung aus dem Protokoll streichen!
Der Ankunftstag in Asunción verlief offenbar gut, sie bekamen eine Telefonkarte und wir konnten kommunizieren. Ok, sie verbrachten den Tag mehr oder weniger im Terminal, aber das hätte man bestimmt eleganter lösen können. Der Nachtbus nach Vallemi fährt ganz in unserer Nähe vorbei, aber aufgrund der unsicheren Ankunftszeit ließen wir sie nach Loreto fahren. 6:30 - 7:00 nannte man uns in Concepción als Ankunftszeit. Wir ließen in dieser Nacht ausnahmsweise das Smartphone eingeschaltet, was wir sonst niemals machen und siehe da, um kurz nach 4:00 Uhr wurden wir unsanft geweckt. Sie sitzen in Loreto im Park. Ende August ist es um diese Zeit noch stockdunkel, aber direkt am Park ist eine Polizeiwache, also keine Panik.
Beim ersten Morgengrauen machten wir uns mit Roller und Motocarro auf den Weg und trafen sie wohlbehalten, aber natürlich total übermüdet an - dachten wir, denn schon am Abend des selben Tages sollten wir eines Besseren belehrt werden. Kurz zum Schlachter und in den Supermarkt. Wir rieten ihnen, sich zu bevorraten, da für die nächsten Tage kein schönes Wetter angesagt war und wir bei Regen definitiv nicht fahren. Für den Abend dieses Tages gab es sogar eine Unwetterwarnung. Nun, ein kleines Stück Fleisch, ein paar Bananen und ganz wichtig, eine Packung Haferflocken, landeten dann auch im Einkaufswagen - wir wiesen nochmals darauf hin, daß wir wohl in den nächsten Tagen nicht fahren können, aber egal. Ok, wir waren auch übermüdet, denn das ist so gar nicht unsere Zeit, um aufzustehen. Außerdem hatten wir natürlich genügend Vorräte im Haus, verhungert wäre also niemand.
Der geplante Anbau hatte schon ordentlich Form angenommen, Tür, Fenster, die obersten Steinreihen und das Dach fehlten allerdings noch. Die Träger waren schon eingebaut. Eine sehr schwere Aufgabe mit meinen Gleichgewichtsproblemen, ein Lacher für einen kräftigen jungen Mann. Also dachten wir, ein paar Nächte in der Küche und dann können sie umziehen. Schließlich wollten sie ja mal in einem Tipi wohnen, da hätte der fehlende Fußboden wohl nichts ausgemacht. Die ersten Gespräche verliefen dann auch freundlich, wir aßen zusammen und machten einen kleinen Spaziergang über das Grundstück und draußen auf der Straße zur Brücke. Es sollte ihr letzter Spaziergang auf unserem Grundstück sein. Auch hier hätten wir hellhörig werden können, denn es war eher ein Hinterhertrotten als ein interessierter Blick auf die vermeintliche neue Heimat. Bei diesem Rundgang gingen wir auch an mindestens drei geeigneten Plätzen vorbei, wo man sich hätte eine schöne Heimstatt errichten können, egal aus welchem Material. Wir hätten einen dieser Plätze mit Anbaufläche auch kostenlos zur Verfügung gestellt gegen ein wenig tatkräftige Mithilfe bei den vielen hier anfallenden Aufgaben. Das ist das, was wir unter Pioniergeist verstehen und außerdem soll es ja mal eine echte Gemeinschaft werden.
Der Abend nahte, das Gewitter ebenfalls, aber statt den Tag nach zwei Nächten in Flugzeug und Bus vielleicht bei einem Bierchen in Ruhe ausklingen zu lassen, mußte man mit einem halbnackten Kind nochmal "kurz zur Brücke gehen". Die Brücke ist gut 500m von unserem Tor entfernt, der Weg ist schnurgerade und sehr übersichtlich. Als die Blitze immer näher kamen und die erste Stunde um war, begannen wir, uns ersthaft Sorgen zu machen. Wir gingen mehrmals zum Tor, sahen aber außer der leeren Straße nichts. Nach 3 Stunden, es war mittlerweile dunkel (ok, durch die Blitze erhellt) kam man dann frohgemutes zurück und hatte nicht das geringste Verständnis, daß wir uns Sorgen gemacht hatten. 3 Stunden waren ja für gute 500m Entfernung und bei diesen Rahmenbedingungen ein wenig übertrieben. Zwar hatten wir auch dieses Mal wieder Glück und das gemeldete Unwetter zog mit lautem Getöse dennoch an uns vorbei, aber ohne die geringste Ahnung in einem vollkommen fremden Land, über das sie sich nur rudimentär informiert hatten, war für uns dann doch Grund, zumindest auf eine vollkommene Inkompetenz als Eltern eines 1,5 Jahre alten Kindes hinzuweisen. Dies hielten wir für unsere menschliche Pflicht. Wie es so seine Art war, wurden natürlich die ersten Worte, die seine Kompetenz auch nur minimal ankratzten, einfach lautstark übertönt. Logisch, daß ich lautstärker weiter sprach, was dazu führte, daß der kleine Prinz aufzuwachen drohte, was mich dazu veranlaßte zu sagen, das sei mir scheißegal, der schläft auch wieder ein - so war der erste Streit da.
Wir haben oft über diese Situation nachgedacht und erst vor Kurzem ist uns die wahrscheinlichste Erklärung gekommen. Völliges Desinteresse am Grundstück und dreistündige Abwesenheit während Gefahrensituation läßt eigentlich nur einen Schluß zu - sie hielten Krisenrat, wie sie hier am besten wegkommen. Nach den nun folgenden Begebenheiten sogar so, uns möglichst in schlechtem Licht dastehen zu lassen. Wie gesagt, es sind keine gerichtsfesten Beweise, aber sehr wohl logische Schlußfolgerungen aus dem vorangegangenen Verhalten.
Fortan herrschte ein angespanntes Verhältnis. Nach ein paar kurzen Worten am Morgen (wir schlafen gerne länger) legten sich die Herrschaften nebst Kind hin und schliefen. Und wir waren auch noch so blöde und verhielten uns besonders leise. Nachdem wir morgens um 6:00 das einem krankhaften Putzwahn geschuldete Objekte rücken und geklapper lange über uns ergingen ließen. Sogar Nachts bekam der kleine Prinz erst selten, später täglich, einen hysterischen Schreianfall - mit weinen hatte dies definitiv nichts zu tun.
Das Motocarro
Schon im Vorfeld hatten wir Prospekte organisiert, damit sie möglichst bald ein Fahrzeug haben, um mobil zu sein. Bis zum Monatsende hatte Inverfin einen 20%-igen Rabatt auf ein für sie ideales Motocarro. Sie waren auch sehr angetan davon, er übte mit unserem Motocarro und beanstandete lediglich die mangelnde Beinfreiheit. Das Ende des Monats war erreicht und auch das Angebot endete. Nur sie hatte die Kontovollmacht, aber er wollte unbedingt mitfahren. Nun lernten wir, was Kontrollzwang ist. Kurze Diskussion, dann sind die Frau und Carmen mit dem Roller losgebraust. Das Angebot galt noch und sie wollte zuschlagen. Eine kleine Hürde gab es noch. Da sie noch keine Aufenthaltsgenehmigung hatten, mußte Carmen den Kaufvertrag unterschreiben. Auch die Bezahlung bereitete Schwierigkeiten, da sie bei der Überweisung einen Fehler gemacht hatte.
Wir waren erstmal zufrieden und hatten die Lösung auf den Nachmittag verschoben. Ach ja, der Kleine sollte ja noch einen Sonnenhut bekommen. Relativ schnell fanden die beiden einen, wie sie meinten schönen Hut, er war nicht ganz hell, aber auch nicht wirklich dunkel. So ungefähr wie die Wüstentruppen der US-Army. Wieder zu Hause gab es gleich ein Donnerwetter, der Hut sei viel zu dunkel. Von einem Dankeschön für die Bemühungen keine Spur. Carmen bekam es zufällig mit und wie es so ihre Art ist, meinte sie nur:"Nicht meckern, besser machen". Der erhobene Zeigefinger war dann wohl ein Schlüsselreiz, der ihn an seine Mutter erinnerte. Das folgende Geschrei war doch ein wenig schockierend. Trotzdem fuhr Carmen nochmal mit ihr zum bezahlen. Am Dienstag der folgenden Woche hat Carmen es auf ihren Namen beim Rathaus angemeldet und nachmittags wurde das Motocarro geliefert. Zwei Mann auf einem kleinen Lieferwagen ohne Auffahrrampen kamen angefahren, Carmen und sogar ich packten, soweit wir konnten, mit an, er natürlich auch, nur sie hielt lediglich das Kind im Arm. Nach ersten kurzen Probefahrten kein Dankeschön und keine Entschuldigung für den doch sehr heftigen Wutausbruch. Von da an sahen wir sie kaum noch. Wenn sie spät Abends nach Hause kamen, verschwanden sie meist kommentarlos in der Küche, aber dank des grölenden Görs wußten wir ja, sie sind wieder sicher bei uns eingetroffen.
Was nun folgte, haben wir erst viel später in einem Zusammenhang gesehen. Jede Nacht ging die "Sirene" los, kurz nach Sonnenaufgang begann das "Putzklappern" und wir waren erleichtert, wenn sie schliefen oder noch besser, vom Hof ritten. Ein denkbar schlechter Start für ein gutes Zusammenleben. Als es eines Tages gar zu laut wurde mit dem Geklapper, entfuhr mir ein "geht's noch lauter?" In der anschließenden Diskussion erklärte er mit hämischem Grinsen, daß es ja schließlich Eulen und Lerchen gäbe. Ist ja klar, wenn die Lerche kostenlos bei der Eule lebt, muß selbstverständlich die Eule ihre Gewohnheiten ändern - finde den Fehler.
Ja, es gab natürlich auch Momente, wo wir wieder zu hoffen begannen. Er setzte den Bau fort, allerdings mit wenig Enthusiasmus. Als er dann mit Kind auf dem Arm die Wand über Kopf weiter mauerte, fiel uns nichts mehr ein. Nach kurzem Einsatz war es das dann auch. Bei über 40°C würden selbst Paraguayer nicht mehr in der Sonne mauern.
Als sie sich bei neuerlicher Unwetter Warnung mit dem neuen und für sie unbekannten Motocarro auf eine, in unseren Augen, nutzlose Fahrt nach Loreto machten, erinnerten wir uns an den ersten Abend und hielten die Klappe. Erst als sie dann im Regen (Ok, kein Unwetter) zurückkamen, da mußten wir doch mal darauf hinweisen, daß es ja angekündigt war. "Ist doch nicht so schlimm, wir sind ja nur naß geworden." Das war dann ihr Kommentar. Es war bereits eine Weile dunkel und wir wären niemals freiwillig unter diesen Bedingungen gefahren, obwohl wir diesen Teil der Ruta kennen. Wir wissen aber auch, daß immer wieder neue Schlaglöcher hinzu kommen und die meisten haben es in sich. Bei 20cm Tiefe und hart ausgebrochenen Asphalt-Kanten ist schon so manchem Autofahrer der Reifen geplatzt. Bis zu 5km Fußmarsch wäre wohl das harmloseste gewesen. Als er dann noch erzählte, daß er auf eben dieser Rückfahrt im Regen 70km/h gefahren ist, fiel uns wirklich nichts anderes ein, als die vollkommene Verantwortungslosigkeit anzuprangern. Frau und Kind auf der Ladefläche, keinerlei Sicherung, die Straße erst einmal zuvor gefahren und dann einen völligen Blindflug hinlegen, das übertrifft sogar die Horrorgeschichten eines Verkäufers für Haftpflichtversicherungen. - Wieder Streit, denn Einsicht fehlt im Wortschatz. Ach ja, gefragt ob wir etwas brauchen, wurde natürlich nicht.
Ein paar Tage später fuhren wir nach Loreto und fragten selbstverständlich. Wir nehmen auch unseren Müll mit und entsorgen ihn dort. Für Metall, Glas und Plastik gibt es sogar Sammelbehälter. Er stand auf der Leiter und mauerte ein wenig, als uns kurz vor der Abfahrt einfiel, sie zu fragen, ob wir ihren Müll mitnehmen sollen. So schnell haben wir noch nie jemanden die Leiter herunter und um die Ecke rennen sehen. Er mußte unbedingt wissen, was Carmen mit ihr "bespricht", nur um dann Carmens Frage zu wiederholen - Kontrollzwang pur.
Fortan hörten wir sie fast nur noch. Morgens wurde, wenn wir Kaffee tranken, eifrig gepackt und das Haus über die hintere Tür verlassen. Der Motor und die klappernde Kette am Tor war alles. Abends meistens das gleiche. Zu dumm, daß der kleine manchmal um die Ecke schoß, dann blieb nur kurzer Smalltalk. So erfuhren wir, daß sie kreuz und quer in der Gegend herum fuhren. Langsam begann sich ein Bild zu formen, aber wir brauchten noch einige Zeit, bis es völlig klar war. Immerhin hatten wir ja in unserem ganzen Leben noch nie mit solchen Leuten zu tun. Weitere Dinge, auch nach ihrem Wegzug, ließen letztlich nur noch einen Schluß zu, sie interessierten sich nicht für unser Angebot. Da wir immer ehrlich gesagt hatten, wie es hier und in der Umgebung aussieht, sind sie wahrscheinlich schon mit diesem Vorsatz hierher gekommen und freuten sich über die kostenlose Unterkunft. In der heutigen Zeit könnte man natürlich auch auf die Idee kommen, daß "der Alte", also ich, sowieso nicht mehr kann und "die Alte", also Carmen, froh ist, daß jemand den Laden schmeißt - alles andere kann man ihr ja dann aufschwatzen. Wir wollten nicht so boshaft denken, aber die Idee läßt uns leider nicht los.
Ein Monat kann lang werden und es kam immer mal wieder zu kleineren Reibereien. Die nachfolgenden Gespräche verliefen immer nach dem selben Muster. Sie nahm entweder gar nicht teil, da sie ausgerechnet jetzt den immerhin schon 1,5 Jahre alten Kleinen stillen mußte oder hatte nichts zu sagen. Ihm gingen nach wenigen Sekunden die Argumente aus und er beschränkte sich dann im besten Fall auf Ablenkung, meist jedoch wurde er beleidigend, bestand darauf ausreden zu wollen, ließ uns allerdings keine drei Worte am Stück reden, ohne zu unterbrechen - das hat Logik. Auch dieses Spielchen wurde eskaliert. Eines Tages räumten wir in der Nähe des Tores auf und sahen, daß es komplett offen stand. Wir hatten schon einmal zu oft Kühe auf dem Grundstück und achteten darauf, es geschlossen (nicht abgeschlossen) zu halten. Auf die Frage, ob dies einen Sinn habe, kam dann auch von ihm die Antwort, daß sie gleich losfahren wollen. Ich antworte, daß es dann ja gut sei und arbeitete weiter. Plötzlich stapfte eine Erscheinung, die fehlende geistige Größe erfolgreich durch körperliche Größe kompensiert hatte, mit sichtlich wütenden Schritten auf uns zu. Da ich froh bin, wenn ich bei Unebenheiten das Gleichgewicht behalte, was er auch wußte, war dies eindeutig als Angriff mit deutlich ungleichen Waffen zu sehen - grundlos und auf meinem eigenen Grundstück. Ok, er blieb stehen und beschränkte sich auf Beleidigungen. Im Hintergrund war ein "wir wollen los" zu hören. Ich bestand darauf, daß diese unhaltbare Situation nun endlich durch ein Gespräch geklärt werden müsse, dies aber auch mit ihr. Wir setzten uns an den Tisch und warteten. Natürlich brauchte ich auf die Aufregung ein Bier und einen Schnaps. Und ebenso natürlich kam er, nicht sie. Die Einleitung "ach, schon wieder am kippen" konnten wir gerade noch ignorieren, auf die Frage, warum er gekommen sei, obwohl wir ausdrücklich auch nach ihr verlangt hatten - na, ratet mal - richtig, die nächtliche Sirene mußte aufgetankt werden. Nach wenigen Sekunden war das Gespräch auch schon zu Ende, wir konnten nicht einmal den Grund erläutern, da begannen die Unterbrechungen und Beleidigungen. Klar, daß ich sauer war und innerlich aufgewühlt. Als er plötzlich meinte, ich hätte vor ein paar Tagen im Vollsuff die Titelmusik einer Serie "mitgegrölt" (ca. 20:00 und mitgeträllert) war endgültig Schluß und Feierabend. Nachdem Carmen sagte, er habe diverse rote Linien überwchritten, ging er zum Glück endlich.
Das Gespräch mit ihr allein fand später noch statt, aber auch da gab es Merkwürdigkeiten. Wir gingen davon aus, daß sie von ihm abhängig sei, aber vielleicht war sie sogar die treibende Kraft. Ein "so könnte ich nicht leben" mit kreisender Armbewegung, hatten wir definitiv falsch interpretiert, denn es zielte auf unser Grundstück. Zugegeben, hatten wir eine solche Trockenheit in unseren 6 Jahren Paraguay noch nicht erlebt und es waren tatsächlich nur wenige Blätter an den Bäumen. Alles andere hatten wir beschrieben und dafür um Hilfe gesucht. Natürlich störte uns der Wildwuchs und die offenen Projekte, aber das war bekannt und hatte einen Grund. Wir boten ihr an, mit dem Kleinen bei uns zu bleiben, aber er sollte sich schnell etwas anderes suchen - ja, es war ein sanfter Rausschmiß. Sie diskutierten danach so heftig wie nie zuvor. Er konnte es sich auch nicht verkneifen, uns noch an den Kopf zu werfen, wir hätten eine junge Familie arglistig nach Paraguay gelockt. Da alles, was wir in der vorangegangenen Kommunikation beschrieben hatten, nur dann funktioniert hätte, wenn das Verhältnis harmonisch gewesen wäre und wir nichts verheimlicht und beschönigt hatten, war das nichts anderes als ein weiterer verzweifelter Versuch, uns zu diskreditieren. Heute wissen wir, daß sie definitiv nicht nur aus eigenem Antrieb ins Land kommen, sondern unsere Notlage schamlos ausnutzen wollten. Kurz darauf zogen sie von dannen - exakt einen Monat nach ihrer Ankunft.
Einige Wochen wohnten sie in Loreto und wir übertrugen ihnen selbstverständlich auch noch das Motocarro. Zu diesem Zeitpunkt waren ihre Pakete noch nicht im Lande. Dann hörten wir aus General Aquino von ihnen - die Geschichte mit dem Paket begann.
Ein Paket auf Reisen Teil 1
Ein Paket auf Reisen Teil 2
Abschließend möchten wir nochmal darauf hinweisen, daß uns diese Art der "Anschwärzung " gar nicht liegt. Wir hoffen, daß wir vielleicht jemanden vor unseren Erfahrungen bewahren können und diesen... (Menschen? Nein, definitiv nicht) wünschen wir, daß sie genau das erhalten, was sie verdienen - für jeden guten Menschen ein schöner Wunsch.
PS: Falls die beiden Betroffenen doch noch mitlesen, freut Euch nicht zu früh. Ihr wißt ja, wer zuletzt lacht...