Unser aktueller Stand am 15.09.2018
Wir haben ja soviel geschrieben, was wir alles machen wollen, da ist es an der Zeit,. einmal eine kleine Bilanz zu ziehen. Sie soll wertfrei ausfallen, denn rechtfertigen brauchen wir uns zum Glück bei niemandem, wir sind ja erwachsene Menschen und stolz auf ein gewisses Maß an Weisheit.
Wir haben den Absprung aus dem goldenen Käfig geschafft und wir haben nach langer und schon recht mühsamer Suche ein geeignetes Grundstück gefunden. Während der gesamten Zeit haben wir uns stets vom Schicksal leiten lassen und sind in einer Region gelandet, die wir anfänglich gar nicht auf dem Plan hatten - in Concepción. In unsere nähere Wahl fielen Canindeyú, Ñeembucú, Amambay und ein kleiner Teil von Presidente Hayes. Ñeembucú steht immer wieder in den Schlagzeilen, wenn es um Unwetter geht und der Teil von Presidente Hayes, an den wir gedacht hatten, entlang des Río Pilcomayo, hat eine Umweltkatastrophe nach der anderen. Amambay ist ganz in unserer Nähe und auch Canindeyú ist unserer neuen Heimat recht ähnlich. Die Richtung stimmte also schon, das Schicksal hat uns dann aber hier landen lassen.
Das Grundstück ist 14ha groß und liegt an einem Hang - nun, ein Bayer würde sich natürlich tot lachen, aber immerhin können wir dadurch bis zu 15km weit schauen und es sorgt dafür, daß es verschiedene Biotope gibt. Leider wurde das Grundstück in den letzten vier Jahren von Rindern beweidet, aber es wurde offenbar nicht gezündelt. Der Boden ist teilweise bretthart getrampelt, was uns beim Graben schon die eine oder andere Blase beschert hat. Wir sind nun schon seit über drei Monaten hier und es hat sich einiges gewandelt. Überall sprießt neues Grün und man kann fast schon hören, wie sich das Land erholt.
Unser erstes Problem war es, einen Platz zum Schlafen zu bekommen. Hier haben wir einfach auf Schnelligkeit gesetzt und uns ein kleines Paraguayer-Häuschen bauen lassen. Das kostet hier nur sehr wenig Geld und man hat wenigstens ein (leider Blech-)Dach über dem Kopf. Wir dachten, daß ein Monat genügt, um es wirklich wohnlich zu machen, aber nun sind es schon über drei Monate und wir haben immer noch nicht die Wände verputzt, wir nutzen noch die "Freiluft-Toilette", da der Anbau nicht fertig ist und sind nun fieberhaft dabei, eine Veranda zu bauen, denn bald steht die Sonne mittags so hoch, daß wir für fast drei Stunden keinen Schatten mehr haben.
Man kann sich kaum Vorstellen, wie groß 14ha sind. Wir haben bis heute nur ca. 2/3 der gesamten Fläche erkundet, der letzte Teil ist aufgrund von Dickicht oder sumpfigem Gelände noch nicht zugänglich. Wege anlegen dauert sehr lange, wenn man sich mühsam durch das Dickicht schneiden muß. Ich bin da etwas schmerzfreier und gehe dort durch, wo man sich gerade noch durchzwängen kann, Carmen möchte da schon wenigstens einen Meter Breite haben, denn man weiß ja nicht, was da im Dschungel neben einem lauert.
Zum Glück war das Grundstück rundherum eingezäunt. Wir waren aber dem "Problem" Rinder etwas naiv entgegengetreten und so hatten wir ungebetenen Besuch - eine Kuh mußte eine Möglichkeit gefunden haben, auf das Grundstück zu gelangen. Nun hieß es ca. 300m Zaun kontrolllieren - aber worauf? Und eingewachsen und schlecht zugänglich war er auch noch, also mal wieder Wege bauen und zwar solche, die man mit Schubkarre befahren kann. Wir haben 40m beschädigten Zaun gefunden - repariert und waren stolz auf unsere zwei Tage dauernde Arbeit. Die Kuh war wieder da!
Weiter suchen und Bekannte fragen. Wie hoch muß der Zaun sein? Was machen Kühe, wenn sie durch wollen? Dann haben wir sie auf frischer Tat ertappt - sie geht einfach über den Zaun, an einer sehr niedrigen Stelle. Also muß er dort erhöht werden. Nun war hier endlich Ruhe. Wir haben zur Vorsicht noch einige weitere Stellen repariert und uns dann gefragt, was mit den 500m zu unserem Nachbarn ist. Kontrolle - und siehe da, jede Menge Möglichkeiten. Ein Wunder, daß da noch keine durch ist. Also auch hier reparieren, teilweise in sengender Mittagshitze ohne Schatten, denn nicht jeder Zaunpfahl steht unter einem Baum. Die Aktion hat uns gut zwei Wochen gekostet, aber nun sind wir echte Profis im Umgang mit Draht und Pfählen.
Angepflanzt haben wir schon einige Bäumchen, die wir von Bekannten bekommen haben. Es wird natürlich noch einige Zeit dauern, bevor sie Früchte tragen. Leider lassen sich die Blätter auch hervorragend für Pilzkulturen verwenden und so hatten wir bei einigen Pflanzen nur noch Stengel stehen. Aber auch Blattschneideameisen haben einen Sinn, auch wenn wir ihn im Moment nicht sehen. Bald kommen aber Hühner und die haben dann leckere Protein-Häppchen. Wir haben auch schon diverse Pflanzen aus Samen gezogen, nun müssen wir einfach warten und hoffen und natürlich die Menge steigern. Alle Pflanzen werden zwischen bestehendem Bewuchs gesetzt und manchmal haben wir schon Schwierigkeiten, alles wieder zu finden.
Von Selbstversorgung sind wir noch sehr weit entfernt, aber wir konnten unsere Lebenshaltungskosten sogar gegenüber unserem spartanischen Leben in Deutschland weiter verringern. Es bleibt natürlich immer noch Spielraum für Wein, lecker Bierchen und auch einem Schnäpschen. Die Fahrt zum Einkaufen ist beschwerlich. 8km Sandstraße müssen wir in jedem Fall bewältigen, dann fährt Carmen mit dem Roller auf der Ruta. Unser Motocarro, vorne Motorrad und hinten Lieferwagen, hat noch keine Chapa, das hiesige Nummernschild. Ich fahre daher lieber auf einem Nebenweg - natürlich auch eine Sandstraße. Es dauert ca. 1,5 Stunden für die 25km und auch der Einkauf selbst ist oft langwierig, da unsere Sprachkenntnisse - Asche auf unser Haupt - noch nicht so gut sind, wie wir es gern hätten. Es gibt aber nie Probleme, denn alle sind sehr freundlich und vor allem geduldig, oft geduldiger als wir selbst. Sicher werden sie später über uns lachen wenn es mal wieder eine Anekdote gibt, wie mit dem Kriechöl:
Wir wollten Kriechöl kaufen und fragten eine Bekannte, wie es denn hier heißt. "Na auch Caramba", sagte sie. Großer Einkauf in der Ferreteria und beinahe hätten wir es vergessen. Carmen fiel es gerade noch rechtzeitig ein und sie sagte, natürlich auf Deutsch, "ach ja, Caramba". Es herrschte schlagartig Ruhe im Laden, mir fiel nur "aceite especial" ein und unsere Bekannte war auch dabei und klärte alles auf. Das Gelächter war groß und wir bekamen auch die Dose Kriechöl.
Alles in allem wissen wir oft nicht, wo wir anfangen sollen mit der Arbeit, aber wir sind sehr glücklich. Wir schwingen mittlerweile sehr gut mit den schönen alten Schwingungen mit und kommen sogar mit dem Verkehr in der Stadt zurecht. Immer wieder müssen wir mitansehen, wie Verhaltensweisen, die auf alten Weisheitslehren basieren mit Gewalt durch moderne Glaubenslehren ersetzt werden. Erst heute ging ein Video durch das Netz in dem ein evangelischer Pastor unter dem Vorwand der Teufelsaustreibung einem 92jährigen Ältesten die Kultgegenstände zerstörte. Natürlich ist dies durch die Verfassung verboten, aber es müßte eine Anzeige erstattet werden. Auch die Europäisierung schreitet in einem grauenvollen Tempo voran - vielleicht schaffen auch wir es noch rechtzeitig eine Insel zu errichten. Dann brauchen wir uns keine Gedanken zu machen, ob die Rückverlegung der Botschaft nach Tel Aviv die Rindfleischexporte beeinträchtigt.