Ein Besuch in Concepción mit Folgen
Wir hatten Marco, der in Concepción lebt, schon in Deutschland über das Internet kennengelernt. Er hatte uns immer wieder eingeladen, ihn zu besuchen und nun, am ersten Freitag im November, trafen sich auch die wenigen deutschsprachigen der Umgebung und wir waren dazu auch eingeladen. Als Jörg, unser Vermieter, hörte, daß wir nach Concepción fahren wollen, schwärmte er von der Region, denn besonders im Norden des Departamentos gibt es noch richtige Urwälder. Auf Anraten unserer Vermieter haben wir uns dann diesmal besser vorbereitet. Jörg wollte sowieso nach Limpio zum Einkaufen und da Emboscada zwar ein Busterminal, aber keinen Fahrkartenverkauf hat, nahm er uns mit. Wir waren sehr froh, denn mit seiner Hilfe war es doch einfacher, die Karten zu bekommen. Da wir erst zwei Tage später fahren wollten, hatten wir noch (fast) freie Platzwahl, er riet uns aber von der ersten Reihe oben, wegen möglicher Unfallgefahr, ab und wir nahmen die zweite. Auf unsere Frage, ob wir denn auch in Emboscada zusteigen könnten, sagte die nette Verkäuferin, daß es besser sei hier nach Limpio zu kommen und zwar rechtzeitig.
Wir ließen uns total verrückt machen und fuhren am Abreisetag wirklich sehr früh runter. Um 6:30 fuhr der Bus am Terminal in Asunción los und wir wollten schon um 7:00 in Limpio sein. Es klappte alles sehr gut, wir kamen an die Ruta in Emboscada und keine Minute später kam ein Bus der Loma-Grande Linie. Er war schön leer, nur fünf Fahrgäste und wir. Dann alle 50m anhalten, jetzt mal einer, dann mal drei - es dauerte nicht einmal bis zum Ortsende, da war der Bus rappelvoll. Voll? Nein, da geht noch einer ... und noch eine ... und noch ein paar Farbeimer nebst Maler. Die Zona Urbana war schon hinter uns, die Ein- und Ausstiegsstufen voll belegt, aber wozu gibt es draußen Haltegriffe und die Fußspitzen passen ja noch auf die unterste Stufe. jetzt die knapp 5km freie Ruta den Hang herunter nach Limpio. Zum Glück nahm er dort keine weiteren Fahrgäste mehr auf und es waren noch ein paar km im Ort, bevor wir aussteigen mußten. Es stiegen auch ein paar andere Leute aus und dann natürlich auch wieder welche ein. Und wie kommen wir jetzt zur Tür? Es geht, irgendwie quetscht man sich so durch.
Nun standen wir an der "zentralen Bushaltestelle" von Limpio - einfach ein Stück der Ruta vor einer Apotheke und einem Lebensmittelladen, von dem jeder weiß, daß hier die Busse halten. Von den großen Gesellschaften, wie La Santaniana, Canindeyú-Bus und natürlich auch der NASA, bei der wir gebucht hatten, stehen Vertreter und fragen, ob man schon ein "Boleto" hat. Klar, wer verkauft, bekommt eine Provision und natürlich geht es beim Einsteigen schneller. Wir waren viel zu früh da und konnten einige Wartende abreisen sehen, aber endlich kam unser Bus. Es geht alles ruck-zuck. Großes Gepäck nach unten in den Laderaum, Fahrgäste mit Boleto und kleinem Gepäck können einsteigen. Unsere Plätze sind belegt, aber es ist noch einiges frei und wir setzen uns einfach woanders hin. Natürlich hätten wir auf unseren Plätzen bestehen können, aber da war noch was - die Sprache.
Erstmal fahren wir die 15km wieder zurück, die wir vorher runter gefahren waren und dann winkt doch genau an "unserer Ecke" eine Frau und er hält - wir hätten also fast 2 Stunden länger schlafen können. Wir fahren zum zweiten Mal die Hügelkette auf der anderen Seite hinunter und durch die endlose Sumpflandschaft von Arroyos y Esteros, durch den Ort mit dem lustigen Namen - 25 Deciembre - zum nächsten lustigen Ort - Santani oder San Estanislao. Beide Namen werden auch auf offiziellen Schildern für den selben Ort verwendet, da muß man erstmal drauf kommen. Das Terminal wird angesteuert und sobald die Tür offen ist, stürmen Chipa-, Empanadas- und Getränke-Verkäufer in den Bus. Es sind oft Kinder, denn von denen kauft man wohl eher. Zwischen der Abzweigung der Ruta 8 und der Cruce 6000 fahren sogar Chipa-Verkäufer mit. Weiter geht es über einige kleinere Städte nach Santa Rosa del Araguay, wieder an das Terminal und wieder das gleiche Spiel.
Danach trifft uns fast der Schlag - Häuschen in Reih und Glied, pikobello aufgeräumte Vorgärten, Traktoren von John Deere und Geschäfte mit deutschen Namen. Sind wir wieder in Europa? Nein, es ist die Mennonitenkolonie Rio Verde. Wir werden uns auch später nicht an diesen Anblick gewöhnen und sind immer froh, wenn wir durch sind. Kurz dahinter sieht man dann auch, was sich hinter diesen hübschen Fassaden verbirgt. Die Ruta teilt auf gut 25km ein absolutes Nichts. Viehweiden, soweit das Auge reicht und kein Baum und kein Strauch, außer ein paar Reihen Eukalyptus als Windschutz. Hier wollen wir nichtmal begraben sein.
Es dauert nicht lange und wir überqueren den Ipané und verlassen San Pedro. Ab jetzt sind wir im Departement Concepción. Wir hatten uns schon gewundert, warum sich niemand auf die rechten Sitze der letzten Reihe setzt, obwohl der Bus zeitweise sehr voll war. Irgendwann sahen wir, daß dort die Klimaanlage ein Leck hat und das Kondenswasser nicht nach draußen lief, sondern einfach auf die Sitze tropfte. Allgemein war dieser Bus in einem deutlich schlechteren Zustand, als der Canindeyú-Bus, vor allem im Innenraum. Vieles war zerschlissen und ungepflegt.
Als nächstes erreichen wir Yby Yau, eine künstliche und noch sehr junge Stadt. Wieder ein Terminal und wieder das gleiche Spiel. Von jetzt an fahren wir auf der Ruta 5, es sind noch 120km bis Concepción. Wir hatten schon von dem schlechten Zustand der Straße gehört, aber nun merkten wir auch ab und zu das Holpern. Die großen Bus-Räder haben wenig Probleme, aber an einem kleinen PKW kann schon erheblicher Schaden entstehen, wenn man hindurchfährt. Horqueta heißt der nächste Ort und da dies Wegbiegung oder Weggabelung bedeutet, glaubten wir damals noch, es würde sich um das alte Weibingo handeln, was ja das gleiche bedeutet. Wieder ein Terminal und natürlich wieder die Verkäufer. Unsere Landkarte (natürlich auf Papier) zeigt die Ruta über Belén verlaufend, aber das ist die alte, nicht asphaltierte Strecke und so sind wir als nächstes gleich in Concepción. Das Terminal liegt genau am anderen Ende der Stadt und wir bekommen schon unsere erste Stadtrundfahrt. Hier werden wir auch von Marco erwartet und er zeigt uns auch einiges der Stadt, es sind für uns aber zu viele neue Eindrücke an nur einem Tag. Wir fahren an den wichtigsten Supermärkten und dem Flughafen vorbei zur Nanawa, einer der beiden einzigen Brücken in Paraguay über den Rio Paraguay. Bei dieser Gelegenheit setzen wir auch das erste Mal einen Fuß in den Chaco. Klar, daß dieses Ufer des Flusses nicht viel anders aussieht, als das andere, aber man kann doch ein wenig erahnen, wie menschenleer das Land dahinter ist. Den Abend verbringen wir bei Marco und danch geht es in ein kleines Hotel. Das Zimmer ist zwar ebenfalls klein, aber sehr sauber und es ist alles da, was man braucht. Ach der Preis ist mit 120.000,-Gs. durchaus angemessen.
Zum Frühstück gibt es ein Kännchen Kaffee und eines mit Milch, etwas Weißbrot, Butter und Marmelade. Es ist zwar tote Milch von mennonitischen Molkereien, aber vernichten ist definitiv die größere Schuld, also trinken wir sie. Im Anschluß machen wir uns zu Fuß zu einem Stadtbummel auf. Unser erstes Ziel ist der Rio. Wir hatten es ja weder in Asunción noch in Emboscada geschafft, an den Rio Paragay zu gehen, nun standen wir endlich das erste Mal dierkt an seinem Ufer. Es ist schon ein imposanter Strom und selbst als alter Hamburger müßte man schon einige Kilometer Elbabwärts fahren, um die Elbe so breit zu sehen. Der Weg führte uns an einigen Gebäuden der Kolonialzeit vorbei, die zum Glück größtenteils genutzt werden und so nicht verfallen. Eines ist ein Museum, andere beherbergen öffentliche Institutionen oder sind privat. Immer wieder gibt es einen Block, hier Quadra genannt, der unbebaut ist und einen Park beinhaltet. Leider fehlt der Stadt das Geld, diese Parks zu pflegen und so sind einige in einem erbärmlichen Zustand.
Irgendwie hatten wir uns mißverstanden, denn plötzlich meldet sich Marco und fragt wo wir seien. Wir waren nicht weit weg und kurze Zeit später saßen wir in der Runde der deutschsprachigen. Natürlich gab es etwas zu essen und natürlich Fleisch. Lustig ist die Bemerkung der paraguayischen Frau unseres Gastgebers, es sei kein Fleisch, es ist Hühnchen! Wir hatten schon davon gehört, nun haben wir es erlebt - Rind ist Fleisch, alles andere trägt den Namen des Tieres und ist eben kein Fleisch. Gut zu wissen, denn ab sofort sagen wir, daß wir keine Tiere essen - das versteht jeder. Aber Fisch eßt Ihr doch? Als ob das keine Tiere sind. Wir lernten an diesem Tag schon einen guten Teil der deutschsprachigen aus der Region kennen. Leider gibt es auch hier solche, die sich mögen und solche, die sicht nicht mögen und auch einige, die sich heraushalten. Natürlich erzählten wir, daß wir auf der Suche nach einem Grundstück seien und ließen uns natürlich auch von der Gegend vorschwärmen. Unser Gastgeber hatte dann auch gleich ein mögliches Grundstück zum Anschauen, aber dann müßten wir noch einen Tag länger bleiben. Spontan bot sich ein schweizer Paar an, uns aufzunehmen. Wir waren begeistert von dieser Herzlichkeit. Später nahm uns dann Chris zur Seite und sagte, wir sollen dort lieber das Thema Glauben meiden - sehr viel später wußten wir dann auch, wie gut dieser Tip war.
Am nächsten Tag ging es mit Chris und seiner Frau zur Besichtigung. Es waren 11ha am Kilometer 22 der Ruta 5. Entlang von Fernstraßen ist dies eine gängige Bezeichnung, die auch von Firmen verwendet wird. Es war ein schönes Grndstück hinter einer Landwirtschaftsschule und nur von Ackerbauern umgeben, die nichtmal Zäune um ihre Felder haben, da es dort keine Rinder gibt. Der Preis war leider für unsere Ansprüche etwas zu hoch, aber der Verkäufer wäre uns entgegen gekommen, nur hätte er dann alle alten Bäume herausgeholt - oh, wie schräg ist das denn? Dann werden wir zu den Schweizern gebracht, die ganz in der Nähe wohnen. Es ist ein schöner Nachmittag und wir verstehen uns auch so gut, daß sie uns einladen, wieder zu kommen.
Am nächsten Morgen bringen sie uns sogar zum Busterminal in Concepción, da wir uns eine Fahrkarte von hier besorgt hatten. Wir haben diesmal zwei Plätze oben ganz vorn gebucht. Der Bus fährt pünktlich ab und hält wirklich an jeder Milchkanne. Bis Yby Yau fährt er auch sehr langsam und wir dachten damals, es wäre ein Anfänger, aber es geht hier wohl eher um die Einhaltung des Fahrplans. Wenn die Straße frei ist, muß man entweder langsam fahren oder in der nächsten Stadt die Zeit abwarten. Es ist eine sehr schöne Fahrt ohne Probleme, nur wird der Bus immer voller. Von der ersten Reihe muß man weitere drei Reihen nach hinten gehen, um die Treppe zu erreichen. Als jemand im Gang seinen Klappstuhl aufstellt und wir sehen, daß auch die Treppenstufen besetzt sind, beginnen wir zu überlegen, wie wir denn die Tür erreichen sollen - und wir sind noch fast 100km von Emboscada entfernt. Als wir in die Hügelkette der Cordillera fahren, beginnen wir mit unseren Weg zur Tür, wir haben noch ca. 5km Fahrstrecke. Wir stehen auf, zwei andere quetschen sich an uns vorbei auf die leeren Sitze, dann weiter "umquetschen" und wir sind an der Treppe. Es geht alles ganz locker, so als ob alle dies schon etliche Male erlebt hätten. Der Busbegleiter steht an der Tür und läßt sich die Taschen herunterreichen und wir quetschen uns langsam die Treppe hinunter. Gerade als mein Rucksack dran war, gibt es ein Bremsmaneuver, ich verliere den Halt und Carmen bekommt den Rucksack auf den Kopf - ich hatte ihn zum Glück noch in der Hand, also halb so schlimm.
Wir steigen genau dort aus, wo wir wollten, alles ist prima gelaufen. Nun noch die 2km Fußmarsch und wir sind "Zuhause". Nach wenigen hundert Metern hält ein Auto an und bietet an, uns mitzunehmen - sehen wir so kaputt aus? Johnny heißt der Fahrer und wir sind uns nicht sicher, ob es nicht besser gewesen wäre weiter zu laufen. Wir wußten ja schon immer, daß der Weg Schlaglöcher hat, aber daß es so viele sind hatten wir noch nie gemerkt. Vielleicht hatte er auch nur ein besonderes Talent, keines auszulassen. Und dann unser "Micker-Spanisch" und doch schon etwas müde. Jedenfalls war die "Unterhaltung" sehr holprig, aber er scheint es genossen zu haben, denn er winkte uns auch später freundlich zu, wenn er uns sah.
Endlich Zuhause, kam dann noch der kröhnende Abschluß. Wir hatten uns eine Flasche Wodka gekauft und sie schon in Concepción nicht aufbekommen. Das wäre natürlich einem "Säufer" nie passiert, also waren wir beruhigt keine zu sein. Nun aber hatten wir ja richtiges "Werkzeug" und trotzdem blieb nichts anderes übrig, als den Plastikverschluß aufzuschneiden. Danach sahen wir dann den Trick, man hätte nur an der richtigen Stelle mehr Gewalt ausüben müssen. Gut geschmeckt hat er aber und wir konnten das aufregende Wochenende ausklingen lassen.