Selbstversorgung - dazu sollte jeder Erwachsene in der Lage sein.

Auch ein schönes Beispiel dafür, wie Begriffe vergewaltigt werden können. Genau genommen sind nur Haustiere, kranke bzw. behinderte Menschen, Kinder und evtl. alte Menschen nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen und auf die Hilfe anderer angewiesen. Es ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie die Umgangssprache auf veränderte Situationen reagiert und Begriffe umdeutet. Tatsächlich müssen wir uns alle eingestehen, daß fast niemand mehr in der Lage ist, sich selbst zu versorgen - und da sind wir schon bei der Zweideutigkeit.

Fangen wir einmal damit an, was umgangssprachlich darunter verstanden wird. Selbstversorgung wird so ausgelegt, daß jemand in der Lage ist, vollkommen autark alles zu beschaffen oder herzustellen, was er zum Leben braucht. Dies kann man auf zwei Arten erreichen. Die Hardcore Variante ist der Einsiedler, der wirklich auf alles verzichtet, was er nicht selbst herstellen kann. Sicherlich trägt dieser Mensch keinen ökologischen Rucksack mehr mit sich herum, aber wer will schon so leben? Das andere Extrem ist derjenige, der erstmal viel Geld in die Hand nimmt und alle möglichen technischen Hilfsmittel anschafft - natürlich nicht selbst herstellen kann - um dann möglichst bis zum Lebensende mit deren Unterstützung autark leben zu können. Der “normale” Selbstversorger findet sich irgendwo zwischen den beiden Extremen.

Schauen wir uns das Wort aber einmal genauer an, so besagt es lediglich, daß der Selbstversorger in der Lage ist, alles, was er braucht selbst zu beschaffen oder herzustellen. Wenn ich also einen guten Job habe und genügend Geld verdiene - pardón, in dem Falle “bekomme” - kann ich dieses Geld doch gegen die Dinge tauschen, die ich gern hätte, also bin ich doch auch ein Selbstversorger.

Die deutschsprachige Online-Zeitung Paraguays, das Wochenblatt, hatte neulich einen Artikel, der diese Wortdeutung voll bestätigte. Hier wurde eine Familie gelobt, denen eine Selbstversorgung gelungen ist. In 5 Gewächshäusern (!!! In Paraguay!!!) bauen sie mit modernster Agrartechnologie (???) auf Substraten (hoppla) Früchte an und beliefern mehrere Märkte der Region. Erst mußten wir lachen, aber nachdem uns klar wurde, daß der Verfasser sicherlich seinen Artikel ernst gemeint hat und viele Leser bestimmt auch von der tollen Geschäftsidee begeistert sind, hätten wir fast heulen können. Selbstversorgung ist also ein weiteres Wort, welches man besser nicht gebrauchen sollte, wenn man damit ein autarkes Leben meint.

Die moderne Gesellschaft fördert die Abhängigkeit in allen Bereichen des täglchen Lebens. Wenn in den Industrienationen nur kleine alltägliche Selbstverständlichkeiten, wie z.B. Strom, Wasser, Kraftstoff oder bestimmte Nahrungsmittel kurzfristig wegfallen, geraten die meisten Menschen in Panik, da sich niemand dieser Abhängigkeiten bewußt ist. Aus diesem Grunde werden auch solche Begriffe bewußt schwammig eingesetzt. Wir werden in Zukunft entweder von einer unabhängigen oder autarken Versorgung sprechen. Sicherlich wird auch auf dieser Webseite noch das eine oder andere Mal von Selbstversorgung gesprochen, wir werden es demnächst suchen und ersetzen.